Nein, ein Horst Schlager wohnt hier nicht. Hier arbeitet auch kein Horst Schlager. Ein Horst Schlager bezieht keine Pension und es gibt niemand, der so aussieht wie Horst Schlager. Horst Schlager ist fiktiv, eine Kunstfigur, ein Fake. Künstliche Intelligenz lässt ihn so aussehen wie er aussieht. Präziser, er ist ein Kunstprojekt des Ars Electronica in Linz im Rahmen des Festival of Art, Technologie and Society 2023. Thema „Who owns the truth – Wem gehört die Wahrheit“.
Die sozialen Netzwerke sind ein Tummelplatz eines Soziotops aus rechtsextremen Medien, Nazis, Neurechten, Coronamaßnahmen- und Klimaschutzmaßnahmenverfolgten, Verschwörungsmystikern, Klangschalenhippies, Querfront-Aktivisten und vor allem Putinunterstützern jedweder Couleur. Dass dieses Soziotop so verwaschen und ausgefranst ist an den Rändern, macht es relativ leicht mit einem Fakeaccount bei Facebook oder anderen sozialen Netzwerken, hineinzutauchen in seine Gefilde. Das tun wahrscheinlich, teilweise auch erkennbar, viele. Polizei, Geheimdienste, Medien und auch politische Aktivisten. Seit die Coronaerregung am Abklingen ist, bekommen die führenden Protagonisten der rechten- bzw. Querfrontszene schmerzhaft zu spüren, dass man den Erregungslevel nicht ewig künstlich aufrechterhalten kann und damit nicht nur ihre Umsturzfantasien platzen, sondern auch ihre Spendenquellen wegbrechen. Frust macht sich breit. Es heißt wieder einer geregelten Arbeit nachzugehen. Falls einen noch ein Arbeitgeber beschäftigen möchte, wenn man sich öffentlich so zum Deppen gemacht hat. Entsprechend dankbar ist man für jeden neuen Interessierten den man anwerben kann, und entsprechend schnell wird er unbesehen zum Freund.
So erging es auch Horst Schlager. Hat man erst ein paar bekanntere Gesichter als Freunde gewonnen, wird man schnell herumgereicht in der Szene. Und mit jedem weiteren „renomierten“ Freund wächst das Vertrauen. Wenn man dann noch ein wenig mit den Wölfen heult, ein paar Verschwörungstheorien und Empörungspostings teilt und die richtigen Seiten liket, ist man schnell voll integriert und hat Namen wie Küssel, Sellner, Brejcha, Rutter, Machl und Scharfmüller in seiner Freundesliste.
Quod erat demonstrandum. Aber das Eintauchen in dieses Soziotop bei Facebook lässt auch einen Blick auf andere verborgene Dinge zu, selbst wenn der ganz starke Tobak eher auf Telegram spielt. Gruppen, Verbindungen, sozialer Status und intellektuelle wie psychische Verfassung in der Szene werden sichtbarer und laden zu empirischer Auswertung ein. Zum Glück für die „Opfer“ fand das nur für künstlerische Zwecke statt. Staatliche Institutionen werden mehr aus ihren verdeckten Ermittlungen ziehen. Hier waren nur einige wenige strafrechtliche Erkenntnisse Beiprodukt dieses Projekts. Kern bleibt der Umgang mit Wahrheit und Fakten. Und auf diesem Gebiet bleibt auch eine abgespeckte Friedens- und Freiheitsschwurbler-Szene hochgefährlich für die Demokratie. Auch wenn sie nur wenige überzeugen können mit ihrem Unsinn, sie haben es geschafft, das Vertrauen in Wahrheit, Fakten und Demokratie quer durch die ganze Gesellschaft zu erschüttern. Dass Ibiza und die verantwortungslose Selbstbedienungsmentalität besonders der ÖVP in Österreich massiv dazu beigetragen haben, lässt sich wohl schwer bestreiten.
All das ficht die Freunde Horst Schlagers übrigens nicht an. Nach einem winzigen Knick in der Zahl seiner Facebookfreunde nach seinem „Outing“, steigt die Zahl sogar wieder an. Was schließt man daraus? Wohl, dass die Menschheit betrogen werden will. Host Schlager ist jedenfall der Schlager!
https://ars.electronica.art/aeblog/de/2023/04/17/via-algorithm-into-parallel-realities/